Ratgeber
Der Begriff Dekade stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie „Zehnzahl“. Vertraut ist uns die Dekade als Umschreibung für ein Jahrzehnt – im technischen Bereich bezeichnet sie auch eine Ansammlung von Messgrößen in zehnfacher Abstufung.
In unserem Ratgeber machen wir Sie mit Mess-Dekaden für ohmsche Widerstände, Kapazitäten und Induktivitäten vertraut und geben Tipps für die Beschaffung.
Technisch gesehen ist eine Mess-Dekade sehr einfach aufgebaut. Sie besteht aus elektronischen Referenz-Bauelementen wie Widerständen, Kondensatoren oder Spulen in jeweils zehnfacher Abstufung. Bei Widerständen reicht der Bereich beispielsweise von 1 bis 10 Ohm, bei Kondensatoren von 10 bis 100 Pikofarad und bei Spulen von 100 bis 1000 Millihenry. Um eine größere Auflösung abzudecken, sind in Mess-Dekaden gleich mehrere solcher Messstrecken in steigenden Größenordnungen verbaut. So finden sich bei Widerständen Werte von mehreren Megaohm, bei Kondensatoren geht’s bis in den Mikrofarad-Bereich und bei Induktivitäten bis zu zweistelligen Henry-Werten. Größter Vorteil dieser kombinierten Messstrecken: Es lässt sich quasi jeder relevante Wert einstellen, entweder durch Schiebeschalter für Ein/Aus beziehungsweise 1 und 0 bei jedem Element oder durch Drehknöpfe.
Dazu ein Beispiel: Es wird ein Widerstandswert von exakt 333,333 Kiloohm gesucht. Ohne Mess-Dekade müsste man die einzelnen Bauelemente – sofern überhaupt vorhanden – mühsam heraussuchen und hintereinander in einer Reihenschaltung verbinden. Mit einer Widerstandsdekade ist das sehr viel einfacher. Zunächst den Schalter von 200 Kiloohm auf 1 setzen, danach den für 100 Kiloohm, den für 30 Kiloohm und den für 3 Kiloohm. Dies ergibt zusammen bereits 333 Kiloohm. Den Nachkommawert erhält man mit den Schaltern für 300, 30 und 3 Ohm. Die gesamte Einstellung benötigt lediglich eine Widerstandsdekade mit insgesamt 28 Schaltern für eine Widerstandsskala von 1 Ohm bis 11,11111 Megaohm. Ähnlich komfortabel erfolgt die Bedienung von Mess-Dekaden für Kapazitäten und Induktivitäten.
Inzwischen sind aber auch Widerstandsdekaden als elektronisches Gerät erhältlich, vielfach auch zusammen mit einer speziellen Software. Eingestellt wird der Dekaden-Wert an der Tastatur unmittelbar am Gerät oder über den PC.
Typische Einsatzbereiche finden sich in Laboren, in Entwicklungsabteilungen für elektronische Schaltungen sowie in vielen Gebieten, die sich mit Wartung und Reparatur von elektrischem Equipment befassen. Hier kommt es darauf an, möglichst schnell, unkompliziert und zuverlässig Referenzen für Widerstands-, Kapazitäts- und Induktionswerte zur Hand zu haben. Die Mess-Dekaden dienen hier oft auch als Kalibratoren. Wobei sich automatisch die Frage nach Toleranzen und Zertifizierungen ergibt.
Die Toleranz der meisten im Handel erhältlichen Widerstandsdekaden liegt bei einem Prozent, das heißt, dass ein eingestellter Widerstandswert von zum Beispiel 100 Kiloohm sowohl bei 99 als auch bei 101 Kiloohm als korrekt gilt. Wird eine Kalibrierung angegeben, bietet die Mehrzahl der Hersteller einen Werksstandard ohne Zertifikat an. Ein nach ISO zertifiziertes Gerät ist für die meisten Anwendungen wohl ausreichend, kommt es allerdings auf eine offiziell bestätigte Einstellung an, führt kaum ein Weg an einer Kalibrierung durch ein DAkkS-akkreditiertes Labor vorbei. Ein solches Zertifikat erhöht durch den zusätzlichen Aufwand der Kalibrierung allerdings den Kaufpreis für eine Mess-Dekade teilweise erheblich.
Zur Kalibrierung Ihrer Geräte können Sie jederzeit den Conrad-Kalibrierservice hinzuziehen!
Die am häufigsten eingesetzten Widerstandsmessdekaden sind für den Betrieb mit Gleich- oder Wechselspannung bis 250 Volt ausgelegt und lassen sich mit einigen wenigen Watt belasten.
Speziell für den Automobilbereich gibt es aber auch Widerstandsdekaden für Spannungen bis zu 1000 Volt und einer Belastbarkeit von 50 und mehr Watt.
Diese Referenzgeräte kosten aber häufig das Vielfache einer „normalen“ Dekade.
Vergleichbare Kriterien gelten für Kapazitätsdekaden und zur Referenzierung der Induktivität.
Lassen sich Widerstandsdekaden auch für die hochfrequente Wechselspannung verwenden?
Für Wechselströme vor allem in der Leistungselektronik sind Widerstandsdekaden nicht geeignet. Das liegt an ihrer Bauart. Die typischen Frequenzen für diese Messgeräte betragen 45 bis 65 Hertz, entsprechen also dem Bereich normaler Netzspannungen. Da hochohmige Widerstände über eine relativ große Induktivität verfügen, lassen sie sich ohnehin nur für Messungen niederfrequenter Ströme einsetzen. Die vorhandene Induktivität würde schließlich bei steigender Frequenz die Widerstandsgröße ändern.
Warum gibt es bei Widerstandsdekaden einiger Hersteller drei Anschlussbuchsen?
Die dritte Buchse sorgt für Kurzschlusssicherheit. Zum Verständnis: Würde eine Widerstandsdekade mit nur zwei Buchsen angeschlossen und alle Widerstände wären ausgeschaltet, ergibt dies einen Kurzschluss, da praktisch der Widerstandswert der Dekade bei 0 Ohm liegt. Verfügt das Gerät über ein dritte – meist schwarze – Buchse, sollte diese angeschlossen werden. Die beiden anderen (roten) Buchsen lassen sich beliebig verwenden.
Wenn Sie die schwarze Buchse verwenden, ist der Schaltkreis zusätzlich durch eine Feinsicherung mit einem Widerstandswert von etwa 0,6 Ohm und einem Betriebsstrom von rund 400 Milliampere geschützt. Bei der mittleren Buchse ist diese Sicherung nicht vorhanden. Allerdings ist zu beachten, dass die Sicherung als ein in Reihe geschalteter Widerstand zur Widerstandsdekade wirkt, deren Wert muss somit bei der Einstellung berücksichtigt werden.
Aus welchem Material sind Widerstandsdekaden gefertigt?
Das Gehäuse gängiger Widerstandsdekaden besteht aus Kunststoff, häufig aus ABS-Plastik, einem thermoplastischen Material mit sehr hoher Isolations- und Bruchfestigkeit. Deshalb auch wird deutlich mehr als 50 Prozent der ABS-Produktion in Westeuropa von der Automobil- und der Elektroindustrie verwendet.
Können normale Potentiometer eine Widerstandsmessdekade ersetzen?
Potentiometer sind zwar einstellbare Widerstände, ihr Stellbereich beträgt aber meist lediglich 270 bis 350 Grad, sie decken also nur wenige Widerstandswerte ab. Zudem arbeiten sie mit einem Schleifer, die Widerstandseinstellung sind somit analog und lassen sich nur mit zusätzlichem Aufwand reproduzieren, beispielsweise über ein Multimeter. Insgesamt sind normale Potentiometer für Präzisionsmessungen daher ungeeignet.