Ratgeber
Mit einem Viskosimeter kommen Studierende verschiedener Naturwissenschaften meist während des Studiums das erste Mal in Kontakt. In medizinischen Laboren und Forschungseinrichtungen sind die Geräte zur Messung der Viskosität von Flüssigkeit häufig im Einsatz. Lesen Sie hier, was man unter Viskosität und Viskositätsmessung versteht und wie ein Viskosimeter arbeitet. Ein kurzes FAQ rundet den Ratgeber ab.
Die Viskosität ist in den Naturwissenschaften ein wichtiges Maß und trifft eine Aussage über die Zähigkeit von Flüssigkeiten (und Gasen). Je höher sie ausfällt, desto dickflüssiger ist die Substanz. Im Umkehrschluss werden Flüssigkeiten und Gase bei sinkender Zähigkeit immer dünnflüssiger beziehungsweise durchdringbarer.
Der Grund ist die stärkerer oder schwächere Gebundenheit der Teilchen aneinander. Je stärker sie verbunden sind, desto zäher wird die Substanz.
Im Detail wird zwischen dynamischer und kinematischer Viskosität unterschieden. Bei der dynamischen Viskosität handelt es sich um die eben beschriebene Zähflüssigkeit, die für Messungen in Pascalsekunden (Pa·s) angegeben wird.
Die Bestimmung der kinematischen Viskosität ist gefragt, wenn mehrere Stoffe verglichen werden sollen. Der kinematische Wert entsteht durch die Division der dynamischen Viskosität durch die Dichte des Stoffes. Die Einheit des Messverfahrens ist Quadratmillimeter pro Sekunde (mm²/s).
Wichtig: Die Viskosität von Flüssigkeiten und Gasen ist temperaturabhängig. Bei steigenden Temperaturen sinkt sie bei Flüssigkeiten, steigt aber bei Gasen.
Eine Viskositätsmessung ermittelt die Zähigkeit, indem der Widerstand der Flüssigkeit gegenüber einem Fluss bestimmt wird. Dieser Fließwiderstand wird auch als Scherspannung bezeichnet. Daraus leitet sich unmittelbar die Frage ab, wie man die Viskosität über eine Messung erfasst. Eine einfache und verständliche Form wird im Physikunterricht vermittelt:
Bei Fallversuchen wird eine Kugel mit bekannter Dichte über einem Messzylinder mit einer Flüssigkeit fallengelassen. Die Geschwindigkeit beim Herabsinken wird mittels Stoppuhr erfasst. Diese manuellen Messungen werden notiert und die Kinder lernen, dass die Kugel durch Wasser schneller als durch beispielsweise Honig fällt.
Anders als bei manueller Messung im Schulunterricht zum allgemeinen Verständnis der Zähigkeit wollen Laboratorien und andere Forschungseinrichtungen die Viskosität der zu messenden Flüssigkeit mit Genauigkeit bestimmen. Für exakte und automatische Messungen sind Geräte gefragt: die Viskosimeter.
Es handelt sich um Messgeräte, die unter einer Strömungsbedingung arbeiten. Entweder wird ein Objekt durch die Flüssigkeit bewegt oder die Flüssigkeit wird in eine erzwungene Bewegung um ein Objekt versetzt. In beiden Fällen wird über die Bestimmung des Widerstandes eine Aussage über die Viskosität getroffen.
Es werden mehrere Unterarten der Messgeräte unterschieden. Die bekanntesten sind:
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das bereits beschriebene Fallkörperviskosimeter,
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Vibrationsviskosimeter (Zähigkeit bei Schwingbewegungen messen),
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Kapillarviskosimeter (Flüssigkeitsfluss durch ein dünnes Rohr messen),
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Blendenviskosimeter (arbeitet mit eingebauten Blenden),
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Saybolt-Viskosimeter (speziell für Erdölprodukte)
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und das Rotationsviskosimeter.
Das Rotationsviskosimeter ist überdurchschnittlich oft im Einsatz, weshalb der Ratgeber es genauer betrachtet.
Es wird ein zylindrisches Gefäß mit der Flüssigkeit gefühlt, deren Viskosität ermittelt werden soll. Der Messbereich wird über diesen Behälter vorgegeben, für die Messung selbst werden Spindeln als Messkörper in die Flüssigkeit getaucht und über einen Motor in Rotation versetzt. Der Rotationsviskosimeter erfasst mit hoher Genauigkeit das notwendige Drehmoment, um die Flüssigkeit in Bewegung zu versetzen. Da die Viskosität von der Temperatur abhängig ist, werden Eintauchtemperaturfühler genutzt, um die gewünschte Temperatur bei der Messung zu erfassen.
Das benötigte Drehmoment in Kombination mit der erreichten Drehgeschwindigkeit und der Geometrie der Spindel liefert die Datengrundlage zur Berechnung der Viskosität. Rotationsviskosimeter können als analoge Messgeräte auftreten und besitzen in diesem Fall einen elektronischen Antrieb für die Rotation der Spindeln, jedoch einen analogen Zeiger. Digitale Modelle besitzen eine Anzeige, oft einen Touchscreen und Schnittstellen zur direkten Datenübertragung an Computer.
Unterschiedliche Zähflüssigkeit erfordert die Nutzung anderer Drehkörper. Im Regelfall ist die Viskosität noch nicht bekannt, daher wird die passende Spindel über Versuchsreihen bestimmt. Man beginnt mit einer Spindel: Ergibt sich mit ihr ein Messwert über 100 Prozent, wird der nächst kleinere Drehkörper eingesetzt. Bei Messwerten unter 10 Prozent sollte die nächstgrößere Spindel benutzt werden.
Es gibt ein manuelles Verfahren zur Messung der Viskosität. Dafür wird ein Auslaufbecher nach der Norm DIN EN ISO 2431 benutzt. Darin wird festgeschrieben, dass die zu bestimmende Flüssigkeit in einen international genormten Auslaufbecher für 100 Millimeter gefüllt wird.
Über eine Düse mit ebenfalls vorgeschriebenem Durchmesser wird der befüllte Becher geleert und die Zeit für den Auslaufprozess in Sekunden erfasst. Spricht man von 70 DIN sec, sind entsprechend 70 Sekunden Auslaufzeit bis zur Leerung des Bechers vergangen.
Das Wissen, in welchem Messbereich sich die Zähflüssigkeit eines Fluids bewegt, ist für verschiedene Anwendungen wichtig. In der medizinischen Forschung werden die Eigenschaften von Proben bestimmt, in der Pharmazie kann die Konsistenz von Medikamentenchargen überprüft und damit deren Sicherheit bestätigt werden.
Im Maschinenbau möchte man den Fluss von Motorenöl bei wechselnden Temperaturbedingungen bestimmen und auch in der Lebensmittelindustrie ist die Messung wichtig, etwa wenn bei der Weiterverarbeitung von Milch ihr Fließverhalten durch ein Rohrleitungssystem erfasst werden soll.
Es gibt ein Gerät, das im ersten Moment einem Viskosimeter ähnelt: ein Rheometer. Beide Laborinstrumente betrachten Flüssigkeiten, doch das Rheometer nutzt ein besonders reibungsarmes Luftlager, um mehr als nur die Zähflüssigkeit zu bestimmen. Es kann umfassendere Aspekte des Fließverhaltens wie die Verformung oder Klebrigkeit erfassen.