Beschaffungsprozess » Optimierung der Phasen im Einkauf
Aktualisiert: 24.04.2024 | Lesedauer: 8 Minuten
Ein Spontankauf, wie er im privaten Umfeld hin und wieder einmal vorkommen kann, ist meist emotional getrieben und hat sehr wenig mit dem tatsächlichen Bedarf zu tun. Deshalb sollten gewerbliche Spontaneinkäufe tunlichst vermieden werden. In Unternehmen muss die Beschaffung der benötigten Güter und Waren Just-in-Time erfolgen, damit Produktionsausfälle vermieden und die Lieferkette an Kunden nicht unterbrochen wird.
Um dies sicher zu stellen, gibt es in allen Betrieben, Firmen und Einrichtungen sogenannte Beschaffungsprozesse, die den Einkauf von Material und die Beschaffung von Dienstleistungen genau regeln.
Damit wir den Prozess der Beschaffung anschaulich aufzeigen können, wollen wir zunächst einen Kleinbetrieb betrachten, bei dem die Digitalisierung noch keine fundamentale Rolle spielt.
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Selbständige Personen im Handwerk wissen meist sehr genau, welches Material sich gut verarbeiten lässt und welches Werkzeug dafür benötigt wird. Zudem haben sie ganz konkrete Vorstellungen von der erforderlichen Qualität und kennen sich mit den Preisen bestens aus.
In ihren Kleinbetrieben entscheiden sie selbst, welche Aufträge in nächster Zeit anstehen und können den Einkauf der erforderlichen Materialien danach ausrichten. Nachdem alles bestellt oder abgeholt wurde, müssen die Lieferscheine abgelegt und die Rechnungen bei der Buchhaltung berücksichtigt werden.
Umso bemerkender ist es, dass alle diese unterschiedlichen Tätigkeiten sehr oft in Personalunion stattfinden.
Was bei einem Einpersonen-Betrieb recht überschaubar erscheint und nahezu intuitiv abläuft, wird umso komplexer, je größer ein Unternehmen ist.
Denn in diesem Fall sind die Vorgänge und die Planung, die zur Beschaffung von Material und Dienstleistungen erforderlich sind, nicht mehr in der Hand einer einzelnen Person.
Da nun mehrere Beschäftigte in die Beschaffung eingebunden sind, ist es unerlässlich einen betriebsinternen Beschaffungsprozess einzurichten, an den sich alle Mitarbeitende halten müssen. Dieser wiederum besteht aus mehreren Schritten, die von der Struktur und der Größe des jeweiligen Betriebes abhängig sind.
Die wesentlichen Bestandteile eines Beschaffungsprozesses haben wir im folgenden Abschnitt für Sie aufgelistet:
1. Bedarfsermittlung
Zu Beginn eines jeden Beschaffungsprozesses steht die Bedarfsermittlung. Sie verschafft einen Überblick, welche Güter und Dienstleistungen in einem Unternehmen benötigt werden.
Die Bedarfsarten werden in drei unterschiedliche Kategorien unterteilt:
- Primärbedarf: Geplante Produktionsmenge an fertigen Enderzeugnissen und verkaufsfähigen Ersatzteilen.
- Sekundärbedarf: Alle Rohstoffe und Vorprodukte, die erforderlich sind, um den Primärbedarf zu erzeugen.
- Tertiärbedarf: Verschleißwerkzeuge, Hilfsmittel und Betriebsstoffe, die zur Erzeugung und zum Transport des Sekundärbedarfs erforderlich sind.
Die Erstellung einer Bedarfsermittlung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:
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Bei der deterministischen Methode wird der Sekundärbedarf mit Stücklisten oder Rezepturen aus dem Primärbedarf abgeleitet.
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Die stochastische Methode basiert auf den vergangenen Verbrauchswerten und einer Prognose über die zukünftige Entwicklung.
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In der heuristischen Methode schätzen erfahrene Betriebsangehörige den erforderlichen Bedarf. Dies wird dann notwendig, wenn z.B. bei Neuteilen noch keine aussagekräftige Datenbasis vorhanden ist.
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In der regelbasierten Bedarfsermittlung wird eine „Wenn/Dann-Beziehung“ genutzt. Wenn eine bestimmte Version eines komplexen Produktes erstellt werden soll, dann werden unterschiedliche Teile aus einer zuvor genau definierten Stückliste benötigt.
2. Bestandskontrolle
Bei der Bestandskontrolle wird der vorhandene Lagerbestand mit dem erforderlichen Bestand verglichen.
Durch die regelmäßige und vollständige Erfassung von Artikelstammdaten, Seriennummern, Stückzahlen und Preisen werden so wertvolle Informationen und aktuelle Kennzahlen gewonnen. Dadurch können konkrete Aussagen zum aktuellen Lagerbestand, dem erforderlichen Mindestbestand, dem Durchschnittsverbrauch und über die momentanen Einkaufspreise getroffen werden.
Die gewissenhafte Bestandsaufnahme ist eine wichtige Voraussetzung für die Vorbereitung einer Bestellung.
3. Beschaffungsantrag/Bestellanforderung (BANF)
Aufgrund der vorliegenden Informationen zur Bedarfsermittlung und der Bestandskontrolle kann ein Beschaffungsantrag gestellt werden.
In diesem Zusammenhang wird oft auch gleich die Lieferantenauswahl mit getroffen. Schließlich sollen die zu bestellenden Rohstoffe oder Produkte dem Qualitätsanspruch des eigenen Unternehmens gerecht werden.
Neben einer guten Qualität zu einem wettbewerbsfähigen Preis sind Warenverfügbarkeit, Lieferbedingungen, Zuverlässigkeit, Flexibilität und Kundenservice wichtige Punkte bei der Lieferantenbewertung bzw. bei der Auswahl des richtigen Lieferanten.
4. Angebotseinholung
Wenn für bestimmte Waren oder Dienstleistungen kein konkreter Lieferant definiert wurde, muss für die weitere Bearbeitung zunächst ein Angebot eingeholt werden. In den meisten Fällen kümmert sich die Einkaufsabteilung um die Einholung von Angeboten.
Denn innerhalb des Beschaffungsmanagements ist der Einkauf die Schnittstelle zu den Lieferanten. Die Mitarbeitenden im Einkauf wissen genau, welcher Zulieferer das erforderliche Produkt oder die notwendige Dienstleistung zur Verfügung stellen kann.
In dringenden oder komplexen Fällen wird oft der persönliche Kontakt zum Lieferanten gesucht und so ist es von Vorteil, die zuständige Person direkt kontaktieren zu können.
5. Budgetfreigabe
Bevor die benötigten Artikel des Beschaffungsantrags durch die Einkaufsabteilung bestellt werden können, erfolgt in vielen Fällen noch eine Budgetfreigabe.
Dazu ist es bei großen Unternehmen zwingend erforderlich, im Beschaffungsantrag neben den zu erwartenden Kosten auch noch hausinterne Kostenstellen mit anzugeben.
Dadurch ist es den prüfenden Personen leicht möglich, eine gute Transparenz bei den Anschaffungskosten zu erreichen und zukünftige Budgetplanungen einfacher vorzunehmen.
Je nach Betriebsstruktur kann die Geschäftsführung, Führungskräfte der Controlling-Abteilung oder auch die Einkaufsleitung die Freigabe erteilen.
6. Bestellung
Nach der Freigabe des Beschaffungsantrages kann die Bestellung über die Einkaufsabteilung beim ausgewählten Lieferanten erfolgen.
Dabei müssen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Einkauf stets einen umfassenden Überblick darüber haben, wann bei welchem Lieferanten eine Bestellung ausgelöst wurde.
Aber auch die ausgehandelten Konditionen und die vereinbarten Lieferbedingungen müssen jederzeit nachvollziehbar sein.
Durch die kontinuierliche Bestellüberwachung können Engpässe im Lagerbestand und somit ein unnötiger Produktionsausfall oder teure Doppelbestellungen zuverlässig vermieden werden.
7. Wareneingang
Werden die bestellten Waren geliefert, muss eine Wareneingangskontrolle durchgeführt werden.
Dabei werden die Güter nicht nur auf Vollzähligkeit und Unversehrtheit geprüft. Die Angaben auf dem Lieferschein müssen mit den tatsächlich bereitgestellten Waren übereinstimmen.
Wenn keine Beanstandungen vorliegen, kann die Ware entsprechend der Bestellanforderung auf Lager gelegt oder den jeweiligen Abteilungen zugestellt werden. Der Lieferschein muss an die Buchhaltung weitergeleitet werden.
Zudem muss der Wareneingang im jeweils verwendeten Warenwirtschaftssystem verbucht werden, um Lagerdiskrepanzen zu vermeiden.
8. Rechnung und Bezahlung
Sobald die Rechnung über die gelieferte Ware vorliegt, wird das Kreditorenteam der Finanzabteilung eine gewissenhafte Prüfung durchführen. Dabei werden die Daten der Bestellung mit dem Lieferschein und der Rechnung miteinander verglichen und auf etwaige Abweichungen geachtet.
Entsprechend den Zahlungsbedingungen, die mit dem Kreditor ausgehandelten wurden, wird die Rechnung anschließend beglichen.
Zum Schluss des Beschaffungsprozesses müssen alle Datensätze zu dieser Bestellung auf den aktuellsten Stand gebracht und archiviert werden.
Wenn man die oben aufgelisteten Punkte genauer betrachtet, wird schnell klar, wieviel Zeit und Ressourcen durch die Beschaffung firmenintern gebunden werden. Selbst wenn die Digitalisierung bei den einzelnen Prozessen und Arbeitsabläufen bereits hoch und somit weit fortgeschritten ist.
Dies betrifft aber nicht nur die Beschaffung von teuren und hochwertigen Gütern. Selbst Kleinigkeiten wie Handwerkzeuge, Pflegemittel und Schmierstoffe oder Bürobedarf müssen den kompletten Beschaffungsprozess durchlaufen, um angeschafft werden zu können. In diesem Fall ist der Warenwert oft nur ein kleiner Bruchteil der tatsächlich anfallenden Prozesskosten.
Die Lösung: Durch die Umstellung auf E-Procurement können die Prozesse beim Einkauf und der Beschaffung sehr einfach automatisiert und beschleunigt werden.
Die automatisierten Beschaffungsprozesse spielen ihren Vorteil immer dann aus, wenn Teile kurzfristig benötigt werden, die unter Umständen zu einem Produktionsausfall oder einer Auftragsverzögerung führen können.
Dies gelingt im Wesentlichen durch einen komplett digitalen Beschaffungsprozess, bei dem individuelle Berechtigungen und verschiedene Zugriffsrechte auf Warengruppen vergeben werden. Die Implementierung in bestehende ERP-Systeme (Enterprise-Resource-Planning) oder Beschaffungssysteme kann über einen statischen eKatalog in Form von einer zu importierenden Datei oder über eine OCI-Schnittstelle erfolgen. Somit können Produktpräsentationen schnell und einfach mit den vorhandenen standardisierten Einkaufsprozessen verbunden und ohne großen Aufwand Bestellungen erzeugt werden. Diese werden dann per elektronischen Datenaustausch (EDI für Electronic Data Interchange) zum Lieferanten übertragen. Auf die gleiche Weise, nur in umgekehrter Richtung, erfolgt die Rechnungsstellung des Lieferanten direkt an die Buchhaltung (Procure-to-Pay).
Falls im Betrieb noch kein Procurement- oder ERP-System vorhanden ist, bietet Conrad Electronic mit CSP eine clevere Smart Procure-Lösung an, die lediglich einen aktuellen Webbrowser erfordert. Unabhängig von der Betriebsgröße erkennen aber mittlerweile immer mehr Firmen und Betriebe die Vorteile, ihren Beschaffungsprozess über E-Procurement zu optimieren.
Bei der Anbindung der Conrad Sourcing Platform besteht zudem noch der Vorteil der Lieferantenkonsolidierung.
Wenn ein Großteil des operativen Betriebsbedarfs von einer einzigen Bezugsquelle zuverlässig gedeckt werden kann, ist der Verwaltungsaufwand beim Beschaffungsprozess noch einmal deutlich reduziert.
Eine intelligente Digitalisierung und Automatisierung der Beschaffung können Unternehmen enorm dabei helfen, ihren Beschaffungsprozess effizienter und effektiver zu gestalten.
So lassen sich laut BME durch folgende Maßnahmen die Kosten für Beschaffungsprozesse in Summe um durchschnittlich ca. 30% senken.
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Formulare, die teilweise automatisiert ausgefüllt sind, können ständig wiederkehrende Bestellanforderungen vereinfacht und enorm beschleunigt werden.
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Kleinartikel können einfach und mit minimalem Prozessaufwand angefordert werden.
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Vorgegebene Schritte und Auswahlmöglichkeiten reduzieren bereits im Ansatz eventuelle Fehler bei der Beschaffung.
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Von der Bedarfsermittlung bis hin zur Rechnungsablage erfolgt die Bearbeitung elektronisch ohne Medienbruch. Es müssen keine Infos ausgedruckt und später wieder manuell in das System eingetragen werden.
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Betriebsinterne Einkaufsregularien werden ausnahmslos eingehalten und Bestellungen bei Lieferanten ohne Rahmenvertrag sind nicht möglich.
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Die Begrenzung der Lieferanten-Produktauswahl verhindert, dass für den Betrieb irrelevante Produkte unberechtigterweise bestellt werden können.
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Die Vergabe von individuellen Bestellberechtigungen und Kostenstellen ermöglicht eine schnelle Aufgabe und Abwicklung von Bestellung ohne umständliche Freigaben.
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Berechtigte Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen sind in den Beschaffungsprozess aktiv eingebunden und können gleichzeitig und eigenverantwortlich ihren Firmenbedarf decken.
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Variable Budget-Begrenzungen verhindern die Bestellung von überteuerten Waren.
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Dank der Transparenz ist jederzeit eine einfache Kontrolle über aktuell laufende und bereits abgeschlossene Bestellungen möglich.
Transparenter und kosteneffizienter
Durch den Einsatz digitaler Tools können also nicht nur Zeit und Kosten gespart, sondern auch die Transparenz und Reaktionsfähigkeit der Lieferkette verbessert werden. Eine datengetriebene Analyse ermöglicht es Unternehmen außerdem, fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre Einkaufsstrategie kontinuierlich zu optimieren.
Menschliche Fehler minimiert
Eine Automatisierung von Aufgaben kann menschliche Fehler minimieren und die Geschwindigkeit der Beschaffung erhöhen. Das steigert die Effizenz und ermöglicht es, Ressourcen viel gezielter einzusetzen. Zudem kann man durch eine bessere Verwaltung und Analyse von Daten die Kosten weiter senken und die Beschaffungsstrategie auf diese Weise optimieren.
Engpässe und Probleme frühzeitig erkennen
Außerdem erhöht die Digitalisierung die Transparenz, was dabei helfen kann, Engpässe und Probleme früher zu erkennen und zu lösen. So kann schneller auf Änderungen in der Lieferkette reagiert und mit den Lieferanten kommuniziert werden, was die Beziehung und Zusammenarbeit stärken kann. Dies kann zu besseren Konditionen und einer höheren Zufriedenheit auf beiden Seiten führen.
Insgesamt können Digitalisierung und Automatisierung des Einkaufs dazu beitragen, die Effizienz, Transparenz und Flexibilität eines Unternehmens zu steigern. Indem diese Technologien gezielt eingesetzt werden, lassen sich Wettbewerbsvorteile erzielen – und das Unternehmen wird fit für die Zukunft.
Gut funktionierende Beschaffungsprozesse haben einen entscheidenden Anteil am Erfolg eines Betriebes. Der Einkauf hat dabei nicht nur die Aufgabe, das Zusammenspiel vom eigenen Unternehmen und externen Lieferant zu regeln. Ein optimierter Beschaffungsprozess sorgt dafür, dass benötigte Güter schnell durch den jeweiligen Lieferanten zur Verfügung stehen. Dies ist besonders beim operativen Beschaffungsprozess wichtig, wenn kurzfristig wichtige Ersatzteile wie zum Beispiel für Produktionseinrichtungen benötigt werden. Gleichzeitig dürfen aber keine finanziellen Betriebsmittel durch einen zu hohen Lagerbestand gebunden werden. Mit E-Procurement kann der Einkauf bzw. das Beschaffungsmanagement die Prozesse im Unternehmen effizient optimieren und dafür sorgen, dass die Supply Chain, also die Lieferkette zum Kunden, wesentlich robuster wird.