Interview mit Ralf Bühler, CEO Conrad Electronic
„Aktuellen Pain Points im Einkauf aktiv begegnen.“
Veröffentlicht: 30.04.2025 | Lesedauer: ca. 3 Minuten
Lange hatte die Industrie mit Lieferengpässen zu kämpfen. Mittlerweile haben neue Themen die ersten Plätze bei den Pain Points von Einkaufsverantwortlichen erobert. Stichworte sind Lagerüberbestände, Nachhaltigkeitsbestrebungen und Lieferantenkonsolidierung. Welche Herausforderungen bei der Beschaffung von C-Teilen es aktuell zu meistern gilt und welche konkrete Unterstützung Conrad seinen Kunden bei der Bewältigung bieten kann, darüber spricht CEO Ralf Bühler im Interview.
InnoNews: Sie sprechen hin und wieder von Conrad als „Feuerlöscher“ für den Einkauf. Was genau meinen Sie damit?
Mit dieser Aussage ziele ich in erster Linie auf die ungeplanten Bedarfe ab. Diese sind insbesondere in Produktionsumgebungen keine Ausnahme, sondern für viele Betriebe weltweit eine enorme Herausforderung. Trotz präventiver und prädiktiver Maßnahmen erleben laut einer Studie 67%1 aller Industriebetriebe jeden Monat ungeplante Ausfälle von Anlagen oder Maschinen. Diese setzen die betroffenen Mitarbeitenden und den Einkauf unter enormen Druck.
InnoNews: Wie kann Conrad als High Service Distributor an diesem Punkt unterstützen?
Unsere Aufgabe ist es, in kritischen Momenten schnelle und zuverlässige Lösungen bereitzustellen, um z.B. Maschinenstillständen aktiv entgegenzuwirken. Oder etwas salopper formuliert: Wenn was passiert, sind wir zur Stelle und löschen das Feuer. Wie machen wir das? Indem wir wichtige Ersatzteile für Reparaturen oder neue Bauteile für Konstruktionsanpassungen verfügbar machen. Indem wir ein enorm breites und tiefes Sortiment für vorausschauende Wartungsmaßnahmen bereitstellen. Und indem wir verlässliche Lieferantenbeziehungen pflegen und unseren Kunden erprobte Sonderbeschaffungslösungen zur Verfügung stellen können. Kurzum: Wir stehen zur Seite, um schnelle Reaktionszeiten, zuverlässige Beschaffungsprozesse und passende Lagerstrategie zu etablieren, die dabei helfen, Ausfallzeiten in der Produktion oder Stillstand auf der Baustelle zu minimieren.
InnoNews: Apropos Sonderbeschaffung. Insbesondere im Bereich der elektronischen Bauteile waren Lieferkettenprobleme ein Riesenthema. Wie schätzen Sie die Lage aktuell ein?
Auf unserer Plattform bieten wir Millionen Produkte an. Trotzdem kann es natürlich sein, dass dieses Angebot nicht ausreicht. Unter anderem, weil Kundenanforderungen immer komplexer und damit auch spezieller werden. Wir haben uns deshalb ganz bewusst Verstärkung und mit dem Team von Electronic Direct einen Spezialisten für die Sonderbeschaffung elektronischer Bauteile in die Conrad-Gruppe geholt. Mittlerweile hat sich die Situation allerdings verändert und viele Unternehmen klagen momentan eher über zu volle Lager, was Kapital und Ressourcen bindet.
InnoNews: Bedeutet das im Umkehrschluss, dass das Team von Electronic Direct jetzt quasi arbeitslos ist?
Nein, ganz im Gegenteil! Die Expertise von Electronic Direct (ED) adressiert ja vier zentrale Säulen: Distribution, Strategic Sourcing, Excess Inventory Solutions und Obsolescence Management. Das Team von ED unterstützt also nicht nur bei der Beschaffung schwer beschaffbarer Bauteile, sondern eben auch beim Abbau von Überbeständen. Am besten erkläre ich es an einem Beispiel: Ein Industriekunde kam auf ED zu, weil er Lagerüberbestände von über 3 Mio. Euro hatte. Diese hatten sich im Zuge des Bullwhip-Effekts bis Ende 2023 angesammelt. ED übernahm daraufhin die Bestände zu einem Festpreis, holte sie zu sich ins Lager und prüfte sie gemäß branchenrelevanter Qualitätsstandards. Im Anschluss daran wurden die Komponenten dann Schritt für Schritt in den globalen Chipmarkt zurückgeführt.
InnoNews: Durch den gezielten Einsatz datengetriebener Distributionsstrategien konnten die aufgekauften Überbestände also effizient vermarktet werden?
Ja, und nicht nur das. Denn neben wirtschaftlicher Effizienz fördert dieses Vorgehen natürlich auch eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft. Ein Aspekt, der zurecht immer mehr an Bedeutung gewinnt. In Zeiten von Allokation ist es natürlich so, dass Ware knapp ist. Das liegt aber in vielen Fällen nicht daran, dass es sie nicht gibt. Sie ist vielleicht einfach zur falschen Stückzahl am falschen Ort vorhanden. Deshalb müssen wir das Thema Crossborder-Commerce vorantreiben und lernen, internationaler zu denken und zu handeln. Denn es ist definitiv nachhaltiger, bereits vorhandene Ware über Ländergrenzen zu verschicken, statt sie neu zu produzieren.
InnoNews: Welche anderen Stellschrauben dreht Conrad, um als Familienunternehmen seiner sozialen Verantwortung in puncto Nachhaltigkeit gerecht zu werden?
Conrad Electronic hat das Thema Umwelt schon vor vielen Jahren auf die Agenda gesetzt. Unser Umweltmanagement ist bereits seit 2006 EMAS-zertifiziert. Wir nutzen Photovoltaikanlagen, Ökostrom und eine klimafreundliche Hackschnitzelheizung, um unseren CO2-Fußabdruck zu senken. Um Ressourcen zu schonen, braucht es außerdem Abfallvermeidung und konsequentes Recycling. Dazu gehören der Verkauf wiederaufbereiteter Geräte, die kontinuierliche Optimierung unserer Verpackungsmaterialien, professionelles Retourenmanagement oder die Möglichkeit, Geräte zu mieten statt sie zu kaufen.
InnoNews: Ein weiteres Trendthema ist die Digitalisierung. Welchen Beitrag kann Conrad leisten, um Unternehmen hier zu unterstützen?
Eine unserer Hauptaufgaben als C-Teile-Lieferant ist es, die Beschaffung unserer Kunden effizienter zu machen und Pain Points im Einkauf aktiv entgegenzuwirken. Im Zuge dessen kommt man an digitalen Lösungen nicht vorbei. Um bei der indirekten Beschaffung zu sparen, geht es nicht allein um den Preis, den man für Produkte zahlt. Man muss die Total Cost of Ownership im Blick haben. Dann ist Digitalisierung keine nette Dreingabe, sondern ein Optimierungstool, an dem man nicht vorbeikommt. Unser Job als High Service Distributor ist es, maßgeschneiderte E-Procurement-Lösungen zu entwickeln, diese zielgruppenadressiert an unsere Kunden zu kommunizieren und Einsparpotenziale aufzuzeigen. Genau dafür haben wir unsere Initiative ProcurePlus ins Leben gerufen und unser Vertriebsteam wird nicht müde, unsere Kunden bei der Digitalisierung ihrer Beschaffungsprozesse zu unterstützen.
1 Quelle: https://new.abb.com/news/de/detail/116577/ungeplante-stillstande-kosten-deutsche-unternehmen-147000-eur-pro-stunde