Edu-sense funktioniert nach der Idee „Lehrer first“ – Was genau heißt das?
Zeitgemäßer Unterricht hängt von den Lehrkräften ab. Um den Kindern digitale Kompetenzen in der Schullaufbahn mit auf den Weg geben zu können, die sie unumgänglich für die gegenwärtigen, aber noch mehr für die Jobs von morgen brauchen werden, müssen wir erst einmal Lehrkräfte haben, die diese unterrichten können. Daher umfasst Edu-sense die ganzheitliche Schultransformation. In diesem Sinne wird an den Haltungen der Schulgemeinschaft, zu denen auch die Lehrerinnen und Lehrer gehören, angesetzt. Schule und Unterricht kann sich nämlich nur verändern, wenn man Lernen neu begreift. Dazu muss die Digitalität einbezogen werden. Das Lernen kann unter Inbezugnahme der digitalen Werkzeuge ganz andere Formen annehmen und ausprägen. Lernräume und Leistungsbewertungen verändern sich, wenn den neuen Lernwerkzeugen der Platz zur Entfaltung der vollen Wirkungskraft gegeben wird. Die Lehrkräfte werden daher in Edu-sense sowohl sehr eng in die Schultransformation einbezogen als auch individuell nach Bedarf in einem hausintern entwickelten Train-the Trainer Konzept fortgebildet.
Das heißt, zunächst wird das Kollegium an Ihrer Schule als Einheit fortgebildet?
Ja fast. Bestimmte Fortbildungsinhalte werden im gesamten Kollegium vermittelt. Die Einführung und Nutzung der Lernplattform hinsichtlich Online-Kalendern und Beamer Buchungen war beispielsweise verpflichtend. Inwieweit sich die Kolleg/innen darüber hinaus in Sachen Unterrichtsneugestaltung fortbilden wollen, kann individuell entschieden werden. Wichtig ist, dass man niemandem etwas aufdrückt, sondern die Kolleg/innen selbst entscheiden können, welche Angebote sie für sich nutzen möchten. Wie mit allen Dingen funktioniert eine Veränderung im Arbeiten nämlich nur, wenn sie intrinsisch motiviert ist. Wir hoffen, dass die Kolleg/innen für sich rasch merken, dass die digitalen Möglichkeiten vielseitig einsetzbar sind und neben der Ökonomie von Arbeitszeit auch das Verhältnis zwischen Lehrkraft, Klasse und Kolleg/innen stärkt, weil man über die digitale Arbeit ins Gespräch kommt.
Inwiefern ist Edu-sense auf die Unterstützung von Partnern angewiesen?
Wenn es um Schultransformation geht kommt irgendwann natürlich auch die Ausstattung ins Spiel. Um Lehrkräfte digital ausbilden zu können, brauchen wir bestimmte Lehrerendgeräte. Unser internes Trainerteam haben wir in den letzten fünf Monaten bereits aus eigener Initiative ausgestattet. Wir hoffen, dass wir so die Schwelle überbrücken können, bis Bund und Länder den Lehrkörpern das erforderliche Material zur Verfügung stellen oder endlich Gelder aus dem Digitalpakt fließen. Solange können und wollen wir aber nicht warten, daher sind wir in unserem Falle auf Unterstützer angewiesen, die uns mit der nötigen Ausstattung kurzfristig helfen. Aus diesem Grund haben Conrad Electronic und HP beispielsweise mit Lehrerendgeräten den ersten Anstoß der nötigen Hilfe gegeben. Außerdem benötigen wir die Unterstützung von Projektpartnern hinsichtlich guter Lernsoftwares oder Lerntools, die wir gezielt und unter Evaluation der Lernqualität im Unterricht einsetzen können. Denn meist sind gute Softwares in Klassenlizenzen so teuer, dass das Geld, das eine Schule für diese Dinge zur Verfügung hat, nicht reicht.
Die digitale Pilotklasse gibt es jetzt schon seit mehr als einem Jahr am Albert-Schweitzer-Gymnasium. Wie sieht der Unterricht aus?
Genau. Seit rund 1,5 Jahren arbeitet die jetzige 7c digital. Hier testeten wir im Schuljahr 2019/2020, zunächst, wie sich das Lernen unter dem sinnvollen Einsatz von Computern in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sport auswirkt. Es sind viele spannende neue Lernformen entstanden und der Unterricht sieht nun komplett anders aus. Offene Lernräume, projektbasiertes und fächerübergreifendes Arbeiten, selbstständige Arbeitsformen und viel Kollaboration unter dem Einsatz digitaler Werkzeuge. Die Kinder gestalten den Unterricht sehr aktiv mit. Nur die Leistungsbewertungen haben wir vor dem Hintergrund der Erfüllung der Lehrpläne noch nicht angefasst. Wie wir aber festgestellt haben, passt die Form der Leistungsbewertung nicht mehr zu den Lernformen. – Ein Projekt, das wir nächstes Schuljahr angehen wollen.
Und wie haben die Eltern damals reagiert, als gefragt wurde, ob die Klasse digital werden sollte?
Die Eltern waren von vornherein sehr angetan. Bei einem Elternabend hatten wir ein wirklich wertvolles Erlebnis: Die Eltern haben sich mit einer deutlichen Mehrheit dafür entschlossen, dass die damalige 5c im kommenden Schuljahr digitale Pilotklasse werden sollte. Meine Klassenteamkollegin Stephanie Henrique und ich haben in Zusammenarbeit mit der Schulleitung gemerkt, wie wichtig es ist, mit den Eltern einen Schulterschluss in Sachen Erziehungsauftrag zu bilden: Bestehende Sorgen wie Bildschirmzeit und Mündigkeit im Umgang mit der Hardware können nur durch Zusammenarbeit von Lehrenden und Eltern angegangen werden. Die Eltern waren insgesamt zum Großteil super dankbar, im Bereich der digitalen Bildung Unterstützung zu bekommen, die sie zuhause nur bedingt ausbilden können. Nun ist das digitale Pilotjahr so erfolgreich und zufrieden beendet worden, dass die Klasse für die nächsten 3 Jahre weiterhin digital unterrichtet wird. Die Eltern haben im Klassenverband nun eigene Laptops angeschafft.
Gab es unter den Eltern auch kritische Stimmen?
Ja klar. Und wir haben beim Elternabend deshalb auch ganz offen über die Herausforderungen gesprochen und da kamen dann zum Beispiel die Persönlichkeitsrechte auf den Tisch. Bei diesen Gesprächen wurde aber dann ziemlich schnell klar, dass wir als Schule eben auch genau diese kritischen Themen mit abfangen können: Was darf man speichern in der Cloud? Darf ich ein Bild einfach weitersenden und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Indem diese Fragen im Rahmen des digitalen Lernprozesses quasi auf der Metaebene mitlaufen und beantwortet werden, unterstützen wir unsere Schüler in Kompetenzen wie Mündigkeit und Urteilsfähigkeit, die in der digitalen Welt unerlässlich sind.
Können Sie ein Beispiel machen, wie diese sozialen und rechtlich relevanten digitalen Kompetenzen quasi nebenher mit vermittelt werden?
Nehmen wir das Fach Sport: Hier hatte die Klasse die Aufgabe, eine Jump-Style-Choreographie zu erarbeiten. Ein Kind hat die Gruppe also immer wieder auf Video aufgenommen, um zu schauen, ob alles synchron ist und die Schritte passen. So hatten sie ein super Tool, um sich auch außerhalb des Unterrichts mit ihrer Choreo zu beschäftigen und ihn weiter zu verbessern. Die Klasse hat aber gleichzeitig aber auch wichtige DSGVO-Grundsätze verstanden: Sie wissen jetzt, dass sie ein solches Video nicht einfach speichern dürfen und warum sie es ohne Erlaubnis der Abgebildeten nicht behalten dürfen. Außerdem haben wir uns an diesem praktischen Beispiel die verschiedenen Ablageorte angeschaut und gezeigt, dass nach dem Löschen eben immer noch eine Version im Papierkorb des Rechners liegt.
Wie sieht es mit einer Lernplattform für Schulen aus? Haben Sie auch hier bereits erste Erfahrungen sammeln können?
Eine auf die Bedürfnisse der Schule angepasste Lernplattform ist besonders wichtig. Wir am ASG haben uns für MNSproCloud entschieden. Auf dieser All-in-One-Oberfläche kann man als Lehrkraft digital mit den Kursen und Klassen und unter Kolleginnen und Kollegen in Arbeitsgruppen zusammenarbeiten. Die Materialien können egal von welchem Gerät zu jeder Zeit angerufen werden. Für den Unterricht kommt uns in der Zusammenarbeit mit den Kindern das Kursnotizbuch zugute. Hier gibt es eine Inhaltsbibliothek, in der der Lehrer oder die Lehrerin das gesamte Unterrichtsmaterial einstellen kann, auf das die Klasse dann zugreifen kann. Jeder hat seinen eigenen Arbeitsbereich, in dem er seine Aufgaben bearbeiten kann, die wiederum die Lehrkraft in lifetime ansehen und Rückmeldung geben kann. So kann die Lehrkraft leicht einsehen, welche Inhalte von wem wie gut verstanden worden sind und wo noch Hilfe benötigt wird, die man den einzelnen Kindern dann wiederum direkt zur Verfügung stellen kann. Es gibt außerdem einen Arbeitsbereich, in dem alle Schülerinnen und Schüler zusammen als Team arbeiten können. Das ist für Gruppenarbeiten besonders praktisch. Und als Lehrkraft haben wir die Möglichkeit, in unseren Klassenteams über MNSpro Cloud Informationen über Klassenarbeitstermine auszutauschen. Hier gibt es neben einem Bereich, bei dem alle auf Materialien zugreifen und diese einstellen können, auch geteilte Kalender, was die Abstimmung untereinander deutlich einfacher macht.
Und was bringt die Lernplattform sonst noch für Vorteile?
Die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern in der Cloud macht für uns vieles einfacher. So muss man z.B. für eine Raumbuchung nicht in der Schule sein und sich in irgendeine Liste eintragen, sondern kann dies auch mal eben sonntagabends von der Couch aus machen und die Schüler werden über Chat informiert. Alle Termine können bequem über geteilte Online Kalender organisiert werden. Auch das E-Mail-Ping-Pong in manchen Angelegenheiten entfällt, wenn man eine chatbasierte Kommunikation wählt.
Wie geht es jetzt weiter mit Edu-sense am Albert-Schweitzer-Gymnasium?
Wir bauen gerade eine Vision mit der gesamten Schulgemeinde auf, wie wir Lernen in Zukunft verstehen wollen. Im letzten Dreivierteljahr haben wir viele Erfahrungen gesammelt und sind jeder für uns reicher geworden. Nun geht es darum zu schauen, wo die Reise für uns hingeht und wohin wir uns mit der Schule entwickeln wollen.
Und wie geht es mit Edu-sense insgesamt weiter?
Gerade haben wir die Struktur des Playbooks stehen. Im nächsten Schritt geht es gerade darum Teamstrukturen zu schaffen. Wir suchen aktuell nach Menschen, die die Bausteine und Fragestellungen betreuen. Die Inhalte zu den Bausteinen werden nun nach und nach gelauncht. Außerdem bilden wir gerade Personal aus, das die Schulen in den ersten Schritten der Transformation sehr eng und individuell begleitet. Einen Ansprechpartner zu haben ist sehr wichtig in so einem komplexen Prozess. Schulen, die mit Edu-sense arbeiten möchten können sich an info@edu-sense.de wenden.